Der sagenhafte Schatz der Zisterne

Wenn man, durch den Kreuzgang der Klosterruine gehend, den stillen Friedhof des Oybin passiert hat und sich der Restauration zuwendet, sieht man rechts am Wege, überragt von mächtigen Felsen, eine in den Stein gehauene, vier Meter tiefe Zisterne, in der man das Regenwasser sammelt. Dieselbe war schon zur Ritterzeit vorhanden und soll ihr Grund mit Steinplatten ausgelegt sein, deren eine, mit einem Kreuze gekennzeichnete, den Weg zu einem dunklen, unterirdischen Gange verschließt, in welchem die Ritter des Oybin im Jahre 1348, wo Kaiser Karl IV, mit den Lausitzern die Burg eroberte, ihre unermesslichen Schätze verborgen haben sollen. Nur am Totensonntage nachts 12 Uhr ist es möglich, sich des Schatzes zu bemächtigen, da in dieser Stunde die Zisterne merkwürdigerweise leer vom Wasser steht.

Vor vielen, vielen Jahren hatten sich sechs Oybiner ein Herz gefasst den Schatz zu heben. Unter ihnen war auch ein gewisser Brockelt aus dem Niederdorfe, der als Sonderling galt und stets ein rotes Mützchen trug. Nachdem sie also am bezeichneten Tage zusammentrafen, mit Hacken und Brechstangen sich wohl versehen und einander eingeschärft hatten, sich ja durch nichts, es sei was es wolle, während der Arbeit zum Sprechen bewegen zu lassen, da sonst der Schatz sofort wieder verschwinde, machten sie sich still auf den Weg. Kaum das sie an der Zisterne angekommen, rief die Uhr im Tale die zwölfte Glockenstunde - das Wasser, so dunkel und tief, verlief sich auf unerklärliche Weise - die Steinplatte mit dem Kreuz ward sichtbar. Schnell sprangen sie herzu und die Arbeit begann. Schaurig hallten die auf die Brechstangen fallenden Schläge mit der Axt in den Felsen wieder.
Da, man denke sich da Entsetzen der Schatzgräber, stehen an der Zisterne Rand eine Anzahl mit Hörnern, Kuhfuß und Schwanz gezierter Gespenster, die, ohne ein Wort zu sprechen, bemüht sind einen Galgen zu errichten.
Kalter Schweiß rinnt den Schatzgräbern bei solchem Anblicke von der Stirn, doch ihrem Ziele so nahe, ruhen sie nicht, und bereits fängt sich die Platte an zu lösen. Neu belebt sich ihr Mut, vermehren sich ihre Kräfte - jetzt eben im Begriff zu heben, schauen sie, um sich des Alleinseins zu vergewissern, in die Höhe, wo ihre Augen einen fertigen Galgen erblicken.
"Welchen von den sechs Geldgierigen soll ich nehmen?" sprach mit schaurig ernstem Tone einer der Teufel am Galgen." Den mit der roten Mütze dächt ich."  ertönte es dumpf als Antwort. Jetzt war des Schatzgräbers Brockelt Mut dahin, mit dem verzweifelten Ausrufe:  " Gnade für mich" sank er auf seine Knie, doch mit seinem Ausrufe war auch das Werk vereitelt. Ein heftiger Knall ertönte, Galgen und Teufel verschwanden, die Platte sank zurück in ihre alte Lage und die schleunigste Flucht nur konnte die Schatzgräber vor dem Tode des Ertrinkens retten, da die Zisterne plötzlich anfing, sich mit Wasser zu füllen.

Lange haben diese Schatzgräber solchen Pechs wegen geschwiegen, aber Brockelt konnte, wie in jener Nacht, auch später den Mund nicht halten und so ist diese vereitelte Schatzgräberei eine allbekannte Sache geworden.

 

(Quelle: Moschkau)