Die lange Zeit der Vergessenheit



Jahr für Jahr fielen die zerstörungswütigen Elemente der Verwitterung über die niedergebrannten Gemäuer her. Jahrzehnt um Jahrzehnt nagte an den einst starken Mauern. Und immer mehr geriet der Berg in Vergessenheit. Die auf den Blitzschlag folgenden 200 Jahre liegen als ein Buch mit vielen leeren Seiten vor uns.

Doch auch in dieser Zeit wurden die Menschen ab und zu an den Berg erinnert, so im Jahre 1636, als einige Landsknechttruppen sengend und plündernd durch die Oberlausitz zogen und dabei auch in das abseits gelegene Dörfchen Oybin kamen. Die Oybiner Bevölkerung nahm damals auf dem Berg Zuflucht, und obwohl keine starken Befestigungsanlagen die einen Sturmangriff hätten verhindern können vorhanden waren, wagten es die Truppen nicht den Berg zu stürmen. Es scheint, als hätten auch die Landsknechte Angst vor dem Mythos des Berges gehabt. Bevor sie wieder abzogen, zerstörten sie den Kretscham und verbrannten das alte Schöppenbuch, dessen Lektüre uns heute sicher wichtige Hinweise auf die Entwicklung Oybins geben könnte.

Im Jahre 1681 brach ein neues schweres Unheil  über den Berg herein. Südwestlich des Kirchturmes spaltete sich der Fels, zerstörte durch die ungeheure Wucht seines Falles verschiedene Nebengebäude zwischen Kirche und Burg, und richtete auch im Tal große Verwüstungen an. Diese Katastrophe lenkte den Blick der Menschen wieder auf den Oybin, doch darf man die Periode der Vergessenheit eigentlich erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts als abgeschlossen betrachten.

Die "tote Zeit" des Oybin, ausgelöst durch den Blitzschlag im Jahre 1577, wird besser verständlich wenn wir den Stand der Technik und des Verkehrswesens sowie die Straßenverhältnisse jener Zeit betrachten. Wir ahnen nichts von den ehemals schlechten Wegverhältnissen und wenn von der schweren Besteigbarkeit des Oybin gesprochen wird, so klingt dies in unseren Ohren wie ein Märchen. Der letzte bedeutende Mann, der die Bauten 1576 noch unversehrt sah, war der Görlitzer Mathematiker Bartholomäus Scultetus, der hätte davon berichten  können. Es ist schade, dass der sonst so sorgfältige Wissenschaftler hierüber keine Beschreibung hinterließ. Der Berg war vielleicht für ihn zu uninteressant und zu wenig wichtig. Oder einfacher: Der Görlitzer Mathematiker lebte in der Periode, die wir mit "der Berg in Vergessenheit" bezeichnet haben.

 

(Quelle: "Geschichte des Berges und des Ortes Oybin")